Eröffnung von Kunst Aktuell 2020, der Jahresausstellung des Kunstverein Rosenheim

Städtische Galerie Rosenheim, 20. Juni 2020

Laudatio von Elisabeth Mehrl zur Verleihung des Kunstpreises an Gerhard Prokop

Der Kunstpreis des Kunstverein Rosenheim wird alljährlich für eine besonders herausragende künstlerische Position innerhalb der Ausstellung KUNST AKTUELL vergeben

und ist mit 2000.- Euro € dotiert.

Wir bedanken uns herzlich bei den Sponsoren, die diese Auszeichnung finanziell ermöglicht haben:

Irmi und Wolfgang von Wartburg

die GRWS Wohnungsbau- und Sanierungsgesellschaft der Stadt Rosenheim

die Schattdecor AG

die Auerbräu GmbH Rosenheim

die TM Börsenverlag AG

Die Preis-Jury bestand heuer aus dem Vorstand des Vereins: Elisabeth Mehrl, Dr. Olena Balun und Peter Weigel.

Eine herausragende künstlerische Position? Angesichts der hohen Qualität aller in der Ausstellung gezeigten Arbeiten und der vielen Möglichkeiten des individuellen

künstlerischen Ausdrucks, hat uns doch eine Arbeit in ihrer Stringenz, Kompromisslosigkeit und ihrem Vertrauen auf eine ganz traditionelle Bildsprache besonders überzeugt.

Ich spreche von dem Bild „Westtangente“, 80 x 180 cm, Öl auf Leinwand, entstanden 2020. Der Künstler dieses Werkes und Preisträger ist der Rosenheimer Maler Gerhard Prokop.

Gerhard Prokop setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit seit Jahrzehnten mit dem Thema „Stadtlandschaften“ auseinander. Dabei weitete sich seine kritische Motivsuche ständig aus -

von der näheren heimatlichen Umgebung bis hin zu Weltmetropolen wie Berlin, Hamburg, Rom, Prag, Wien, Paris, Kairo usw.

Wie ein Jäger ist Prokop unterwegs auf der Suche nach lohnenswerten Motiven. Zunächst als leidenschaftlicher Fotograf. Aber es sind nie die Postkartenmotive, die ihn reizen,

sondern gerade die unprominenten Blickwinkel, aus ganz ungewöhnlichen Perspektiven - oft städtebauliche Situationen, die im Wandel oder gar Verschwinden begriffen sind.

Die Fotos dienen Prokop nur als Ausgangspunkt, sind Anlass für das zu malende fotorealistische Bild. Dabei kann zwischen der Fotoaufnahme und der malerischen Umsetzung

ein ganzes Jahr vergehen - wie bei dem hier gezeigten Bild „Westtangente“. Es zeigt ein Stück Straßentrasse im frühen baulichen Zustand – für die Umgehungstraße von Rosenheim –

mitten durch den Wald bei Wernhardsberg – so, wie der Künstler sie im Herbst 2018 vorgefunden und fotografisch festgehalten hat. Die malerische Umsetzung erfolgt dann nicht 1:1 –

sondern verschiedene Fotoaufnahmen eines Motives werden am PC zu einer Ansicht montiert bis sie kompositorisch genau den Ausschnitt zeigen, den Ausdruck vermittelt,

den der Künstler eines Werkes für würdig hält.

Das Bild von der Westtangente, das zu zwei Drittel der Bildfläche aus braunem, umgepflügten Erdreich – einer Schlammlawine – besteht, ist wahrlich keine pittoreske Landschaft,

sondern zeigt eine extreme Zerstörung der Natur. Natürlich spüren wir die mahnende Geste, das ökologische Anliegen – aber Prokop will niemals mit erhobenem Finger belehren.

Seine Bilder sind häufig dokumentarisch, seine Bildmotive fixieren im Wandel begriffene Zustände – zeigen in aller Schonungslosigkeit wie der Mensch die Umwelt gestaltet

oder auch missgestaltet.

Der Mensch selber fehlt auf allen Bildern von Prokop, dafür sprechen aber die Bildmotive umso deutlicher von der Hinterlassenschaft des Menschen.

Für den Künstler Prokop geht es bei einem Bild aber schließlich vor allem um die malerische Herausforderung und die bildwürdige Umsetzung des gewählten Motivs.

Eine Bildfläche in dem genannten Format und in Prokops Malstil des Fotorealismus ist wahrlich eine Aufgabe, die großen Zeitaufwand, persönliche Überzeugung, lang anhaltende

Konzentration (über Wochen und Monate) und volle Hingabe einfordert.

Nur auf den ersten Blick und aus der Ferne meinen wir, eine fotografische Abbildgenauigkeit zu sehen. Je näher wir vor dem Bild stehen, umso erkennbarer wird der malerische

Duktus und umso reichhaltiger die farbliche Vielfalt. Die malerischen Mikrostrukturen der Schlammlawine und der beidseitigen Waldstücke wollen vom Künstler eigens erfunden sein.

Die Abbildhaftigkeit des Fotos übertrifft Prokop, indem er mit gekonnten, malerischen Mitteln seine eigenen Akzente setzt - Unscheinbares farblich hervorhebt oder unscharfen Partien

eine gezielte Schärfe verleiht. Der Maler weiß genau, wie er die Plastizität der Erdschollen, der eingefahrenen Furchen oder die räumliche Tiefenwirkung des gesamten Bildmotivs

steigern kann, um so dem Ganzen schließlich eine bestechende Präsenz zu verleihen.

Wenn Sie Gerhard Prokop beim Malen mal über die Schulter schauen möchten, sollten Sie einen Blick auf seine Homepage werfen. Dort können sie den Entstehungsprozess

des jeweils aktuellen Bildes mitverfolgen. Er dokumentiert fotografisch von der Vorzeichnung bis zur Fertigstellung regelmäßig seine Arbeitsschritte und stellt sie online.

Seien sie neugierig und verfolgen sie seine Arbeit.

Prokops mit großer Könnerschaft gemalte Bilder von ungeschönten Wahrheiten vermitteln eine überzeugende künstlerische Haltung – und das bereits über Jahrzehnte hinweg.

Der Künstler zeigt uns Orte, die wir glauben zu kennen – aber erst, wenn wir sie auf seinen Bildern sehen, lernen wir sie wirklich kennen.

Lieber Gerhard – im Namen des Kunstvereins Rosenheim gratuliere ich dir ganz herzlich zum Kunstpreis 2020 – ein längst überfällige Auszeichnung für dein authentisches

künstlerisches Werk!

Elisabeth Mehrl

Vorsitzende Kunstverein Rosenheim

20.06.2020

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